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Dividendenstrategien – Fakten und Fantasien in der Anlageberatung/Vermögensverwaltung

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Wer bei Aktien auf die Dividendenrendite schaut, konnte im vergangenen Jahr durchaus attraktive Werte identifizieren. Unter den 30 DAX-Unternehmen lag die Aktie von ProSiebenSat.1 Media mit einer Dividendenrendite von 6,72 Prozent weit vorne, gefolgt von der Daimler-Aktie mit 5,16 Prozent und der Munich Re-Aktie mit 4,72 Prozent. Am Anleihemarkt suchte man solchen Renditen vergeblich – ein Grund, warum manche Anlageberater und Vermögensverwalter inzwischen sogar Dividendenwerte als Alternative zum Anleiheinvestment empfehlen. Denn Anleihen bieten dank der EZB-Politik derzeit oft sogar Negativrenditen.

Auch sonst setzen nicht wenige Anlageberater und Vermögensverwalter auf Dividendenstrategien – in der Hoffnung, mit Aktien, die gute und relativ stabile Dividendenerträge versprechen, ein besseres Ergebnis zu erzielen als mit Titeln, bei denen die Kursentwicklung von größerer Bedeutung ist als die Ausschüttung. Dabei spielt die Erwartung eine Rolle, dass Dividendentitel nicht nur besser performen als „normale“ Aktien, sondern auch geringere Kursschwankungen aufweisen, also weniger riskant sind. Doch gehen solche Anlagestrategien wirklich auf? Und gibt es dafür auch einen „theoretischen“ Unterbau? Zweifel sind angebracht.

Das sagen empirische Daten und Fakten

Zunächst lohnt ein Blick auf die tatsächlichen Zahlen. Vergleicht man die Performance bei einer globalen passiven Dividendenstrategie mit der allgemeinen Marktentwicklung im Weltmaßstab, überzeugen die Dividendenwerte keineswegs. Über die letzten zehn Jahre (31.12.2007 bis 31.12.2017) betrachtet lag die historische inflationsbereinigte Rendite bei Dividendenwerten im MSCI World bei 5,7 Prozent p.a., beim MSCI World allgemein dagegen bei 6,6 Prozent jährlich. Das heißt: die Dividenden-Aktien performten sogar schlechter. Dies gilt auch für die letzten fünf oder drei Jahre als Betrachtungszeitraum. Lediglich auf Zwanzig-Jahres-Sicht (31.12.1997 bis 31.12.2017) schnitt die Dividendenstrategie etwas besser ab. Hier lag die Rendite bei jährlich 5,4 Prozent im Vergleich zu 4,6 Prozent beim Gesamtmarkt. Die empirischen Daten bestätigen die Überlegenheit der Dividendenstrategie also nicht zwingend. Sie zeigen eher, es kommt darauf an, welchen Betrachtungszeitraum man sich „herauspickt“, ob eine Dividendenstrategie besser abschneidet oder nicht. Für Handlungsempfehlungen eines Anlageberaters oder Vermögensverwalters taugt das nicht unbedingt.

Neben der Rendite ist das Risiko eine Betrachtung wert. Auf zwanzig Jahre bezogen lag die Volatilität der Monatsrenditen bei der Dividendenstrategie mit 13,6 Prozent nur geringfügig unter der des Gesamtmarktes (14,6 Prozent). Auch bei einem anderen Risikomaß, dem höchsten kumulativen Verlust im Betrachtungszeitraum gab es keine signifikanten Unterschiede. Bei der Dividendenstrategie erreichte er -56 Prozent und beim Gesamtmarkt -60 Prozent. Damit hat sich die Dividendenstrategie – empirisch betrachtet – nicht als grundsätzlich weniger riskant erwiesen als eine „naive“ Strategie, die einfach auf den Gesamtmarkt setzt.

Die Irrelevanz der Dividende – das Modigliani-Miller Theorem

Anhand von Zahlen und Fakten lässt sich die Überlegenheit einer Dividendenstrategie daher nicht nachweisen. Zumindest sind die Ergebnisse nicht eindeutig. Ein anderer Weg, dividendenorientiertes Investment zu beurteilen, sind theoretische Analysen. Hier hat eine Arbeit der beiden US-Ökonomen Franco Modigliani und Merton Miller aus dem Jahre 1961 grundlegende Erkenntnisse geliefert. Das von ihnen formulierte Modigliani-Miller-Theorem besagt, dass unter bestimmten – idealtypischen – Bedingungen die Dividendenpolitik keinen Einfluss auf den Unternehmenswert hat, wie er sich in den Aktienkursen widerspiegelt. Demnach gibt es keinen Anlass, gezielt in „dividendenstarke“ Werte zu investieren. Eine Dividendenstrategie ist vielmehr sinnlos und führt zu keinem anderen Resultat als der Verzicht darauf.

Das Modigliani-Miller-Theorem gilt in einer Welt mit einem vollkommenen Kapitalmarkt, vollständiger Informationstransparenz, ohne steuerliche Verzerrungen und ohne Transaktionskosten. Unter solchen Bedingungen ist die Aussage der beiden Ökonomen logisch zwingend und immer richtig. Die Dividendenpolitik hat danach allenfalls Einfluss darauf, wie sich die Erträge aus einem Aktieninvestment verteilen – ob sie stärker auf Dividendenerträgen oder auf Kursgewinnen beruhen. Unter dem Strich bleibt aber das Aktienergebnis – und damit die Aktienrendite – stets gleich. Das lässt sich mathematisch beweisen.

Es versteht sich von selbst, dass diese Aussage nicht unwidersprochen blieb. An der Ableitung der Erkenntnis an sich gibt es dabei nichts zu „deuteln“. Die Kritik entzündete sich vielmehr an den „unrealistischen“ Prämissen des Modigliani-Miller-Theorems. Denn in der Realität gibt es asymmetrische Informationen, sind Kapitalmärkte nicht hundertprozentig vollkommen, kann die Besteuerung zu Verzerrungen führen und fallen Transaktionskosten an. Daraus lassen sich Argumente entwickeln, warum Dividenden in der Realität für Aktionäre ggf. doch relevant sein können. Dabei zählt neben der Dividendenrendite vor allem die Dividendenkontinuität und -stabilität.

Eine notwendige Überlegenheit der Dividendenstrategie lässt daraus aber nicht theoretisch begründen – zum Beispiel beim Thema Steuern. Betrachtet man Aktionärs- und Unternehmensebene zusammen, werden Ausschüttungen in der Realität oft sogar höher besteuert als einbehaltene Gewinne. Es würde sich demnach für Aktionäre lohnen, erzielte Gewinne im Unternehmen zu belassen und auf Dividenden zu verzichten. Das wäre eher ein Argument gegen eine Dividendenstrategie.

Warum Dividendenwerte manchmal besser performen

Die empirische Analyse hat allerdings auch gezeigt, dass es durchaus mal Zeiträume geben kann, in denen eine Dividendenstrategie besser performt. Die Frage ist nur, ob das an den Dividenden liegt oder ob die Ursachen woanders zu suchen sind. Tatsächlich hat sich die Wissenschaft intensiv mit der marktkonformen Bewertung von Aktien befasst und dabei sogenannte Mehrfaktoren-Modelle entwickelt. Danach können zum Beispiel bei Value-, Quality- und Low Volatility-Aktien besondere Faktorprämien zu besseren Ergebnissen als im Marktschnitt führen. Oft sind Unternehmen, deren Aktien diesen Kategorien zuzuordnen sind, auch überdurchschnittlich ausschüttungsfreudig. Wer daher konsequent eine Dividendenstrategie verfolgt, hat daher mit hoher Wahrscheinlichkeit auch einen überproportional hohen Anteil an solchen Value-, Quality- und Low Volatility-Titeln in seinem Portfolio.

Die „Outperformance“ beruht dann aber nicht auf der Dividendenstrategie an sich, sondern auf der Portfolio-Zusammensetzung. Die Dividendenorientierung ist dabei letztlich nur ein „Vehikel“ und es leuchtet unmittelbar ein, dass es zielführender wäre, in der Vermögensverwaltung direkt nach Value-, Quality- und Low Volatility-Aktien zu suchen als den „Dividenden-Umweg“ zu nehmen. Der birgt nämlich Fehlerrisiken in sich – eigentlich rentierliche Aktien können dabei übersehen werden, dafür landen unter Umständen Titel nur wegen der Dividende“ im Portfolio (Vermögensverwaltung), deren Aufnahme aber ansonsten eigentlich nicht gerechtfertigt ist.

Der Vergleich mit Anleihen – ein Missverständnis 

Problematisch ist auch der Vergleich zwischen Dividendenrenditen und Anleiherenditen. Er vernachlässigt nämlich, dass Aktien und Anleihen qualitativ unterschiedlichen Anlagekategorien angehören. Dies zeigt sich unter anderem darin, dass Aktienkurse in der Regel deutlich größeren Schwankungen unterliegen als Anleihekurse. Wer heute eine Anleihe zu einem bestimmten Kurs erwirbt und bis zum Laufzeitende durchhält, kann ziemlich sicher sein, die heute zu erwartende Rendite auch zu realisieren. Beim Aktienkauf über den gleichen Zeitraum ist das nicht so.

Selbst wenn die Dividende konstant bleibt – was keineswegs gewährleistet ist -, kommt es maßgeblich auf den „Schlusskurs“ an, welche Rendite schließlich realisiert wird. Und eine hohe Dividendenrendite in der Vergangenheit ist noch keine Garantie dafür, dass sie auch in Zukunft so erhalten bleibt. Die reine Gegenüberstellung von Prozentsätzen ist daher irreführend und ein „Vergleich von Äpfel und Birnen“. Anleihen und Aktien sind eben keine einfach austauschbaren Alternativen. Das gilt im Übrigen auch für den Vergleich mit anderen verzinslichen Anlagen.

Ein Argument für Vernunft in der Anlageberatung/Vermögensverwaltung

Für Anleger erscheint die Dividende als Ertragskomponente oft „greifbarer“ als ein Kursgewinn. Sowohl die empirischen Daten als auch die wissenschaftliche Theorie zeigen aber, dass das eher Illusion als eine Tatsache ist. Tatsächlich sind Dividendenerträge und Kursgewinne bei gleichen Beträgen auch gleich viel wert. Es gibt kaum einen vernünftigen Grund, der Dividende den Vorzug zu geben. Was letztlich zählt, ist nur die Gesamtrendite eines Aktieninvestments, das sich aus Dividendenerträgen und Kursgewinnen zusammensetzt. Es gibt sogar Aktien, die sich als hochrentierlich erwiesen haben, ohne dass je eine Dividende ausgeschüttet wurde. Dazu gehört zum Beispiel Berkshire Hathaway – das Unternehmen der Investment-Legende Warren Buffet, keineswegs der einzige „dividendenlose“ börsennotierte Wert mit nachgewiesenem Erfolg.

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