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bAV – Verträge im Bestand oft fehlerhaft

Datum

Ab 1. Januar 2018 gilt das neue Betriebsrentenstärkungsgesetz. Das noch von der alten Großen Koalition auf den Weg gebrachte Gesetz will die betriebliche Altersvorsorge – kurz bAV – attraktiver machen. Denn sie wird bisher nicht in dem Umfang genutzt, wie sich das die Politik wünscht. Vor allem in kleinen und mittleren Unternehmen in der Region Stuttgart, Tübingen, Reutlingen und Neckar-Alb führt die bAV eher ein Schattendasein. Das liegt nicht nur an der Haftung, die Arbeitgeber für Zusagen übernehmen müssen, sondern auch an der Komplexität der Regelungen.

Ob das Betriebsrentenstärkungsgesetz wirklich Verbesserungen mit sich bringen wird, muss sich erst noch zeigen. Wie dem auch sei – bestehende Verträge sind davon nicht betroffen, denn das Gesetz gilt nur für neue Zusagen. Dementsprechend sucht man auch vergebens Regelungen im Gesetz, um Alt-Verträge in jetzt mögliche neue bAV-Modelle zu überführen.

Nichtsdestotrotz kann das Inkrafttreten des Betriebsrentenstärkungsgesetzes auch ein Anlass sein, sich den bisherigen Vertragsbestand noch einmal genauer anzuschauen. Denn hier sind in der Vergangenheit viele Fehler passiert, eben weil die Regelungen so komplex und unübersichtlich sind. In einer Untersuchung, in der über 1.000 baV-Verträge in mehr als 50 Unternehmen unter die Lupe genommen wurden, kamen erschreckende Mängel zutage.

Fehlerhafte Verträge, unklare Regelungen und andere „Unterlassungssünden“ können irgendwann zu erheblichen Problemen führen. Rechtliche Auseinandersetzungen mit ungewissem Ausgang und möglichen finanziellen Belastungen sind quasi vorprogrammiert. Daher möchten wir im Folgenden einen Überblick über die häufigsten in der Untersuchung festgestellten Fehlerquellen geben. Es handelte sich ausschließlich um Verträge in den Durchführungswegen Direktversicherung und Pensionskasse.

1. Fehlende Beratungsdokumentation

Der Arbeitgeber ist zwar grundsätzlich nicht verpflichtet, seine Mitarbeiter auf die Möglichkeit einer bAV in Form der Entgeltumwandlung hinzuweisen. Wenn jedoch dieser Weg gewählt wird, treffen ihn umfassende Informations-, Aufklärungs- und Beratungspflichten im Hinblick auf das jeweils genutzte Produkt. Üblicherweise „entledigt“ sich ein Unternehmen dieser Aufgabe, indem ein Versicherungsvermittler eingeschaltet wird. Der Vermittler ist dann als Erfüllungsgehilfe des Arbeitgebers tätig, was diesen allerdings nicht von der Haftung für fehlerhafte oder fehlende Beratung entlastet.

Stattgefundene Beratung muss dokumentiert werden. Das sieht das Versicherungsvertragsgesetz so vor. Denn nur, wenn eine entsprechende Dokumentation vorliegt, lässt sich im Nachhinein adäquat beurteilen, ob angemessen beraten und informiert wurde. Fehlende Dokumentation ist im Zweifel ein Indiz dafür, dass keine Beratung erfolgt ist – ein schweres Pflichtversäumnis, aus dem unter Umständen Schadensersatzansprüche erwachsen können. In der Untersuchung wiesen 95 Prozent der betrachteten Verträge keine Dokumentation auf.

2. Keine oder unzureichende Vereinbarung zur Entgeltumwandlung 

In der Entgeltumwandlungsvereinbarung sollen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Modalitäten der Entgeltumwandlung im Detail geregelt werden. Sie bildet die arbeitsrechtliche Grundlage für die Versorgungszusage. Der Versicherungsvertrag stellt dagegen eine allgemein privatrechtliche Vereinbarung dar, die der arbeitsrechtlichen Vereinbarung folgt.

In der Realität wird die Entgeltumwandlungsvereinbarung allerdings oft nachlässig behandelt oder sogar ganz vergessen. 90 Prozent der untersuchten Zusagen wiesen in dieser Hinsicht Defizite auf. Wenn keine Entgeltumwandlungsvereinbarung vorliegt, fehlt dem Versicherungsvertrag die arbeitsrechtliche Basis. Der Inhalt der Vereinbarung muss dann im Zweifel aus dem Versicherungsschein geschlossen werden, was sich als schwierig erweisen kann. Fehlende oder fehlerhafte Vereinbarungen können später zu Auseinandersetzungen führen – insbesondere dann, wenn es zu „außerplanmäßigen“ Ereignissen kommt. Hier einige Beispiele für Versäumnisse und deren Folgen:

  • fehlende Angaben zur Art der Zusage können beim Ausscheiden des Mitarbeiters und bei der Besteuerung zu Schwierigkeiten führen;
  • werden Arbeitgeberbeiträge gezahlt und ist deren Unverfallbarkeit unklar, kann dies im Insolvenzfall bewirken, dass daraus entstandene Ansprüche der Insolvenzmasse zugerechnet werden;
  • Fragen entstehen bei Arbeitgeberbeiträgen auch, wenn nicht definiert ist, was bei entgeltlosen Zeiten (längere Krankheit, Elternzeit usw.) passiert. 

3. Bescheinigung des Vorarbeitgebers fehlt

Übernimmt der Arbeitgeber für einen Mitarbeiter eine Versorgungszusage eines früheren Arbeitgebers, die vor dem 1. Januar 2005 gegeben wurde und nach § 40b EStG zu versteuern ist, wird eine Bescheinigung benötigt, dass die Zusage beim früheren Arbeitgeber nicht nach § 3 Nr. 63 EStG besteuert wurde. Diese Pflicht zur „Vorarbeitgeber-Bescheinigung“ ergibt sich aus § 5 Abs. 2 Lohnsteuer-Durchführungsverordnung. Fehlt die Bescheinigung, kann das Finanzamt im Zweifel die Besteuerung nach § 3 Nr. 63 EStG verlangen. Für den betroffenen Arbeitnehmer bedeutet dies ggf. einen Vermögensschaden. In der Untersuchung wurde festgestellt, dass die Bescheinigung in neun von zehn Fällen nicht vorhanden war.

4. Vertragsunterlagen sind unvollständig  

Es kommt nicht so selten vor, dass Vertragsunterlagen nicht komplett sind. Bei rund 60 Prozent der untersuchten Fälle gab es diesbezüglich Mängel. Häufig fehlte sogar der Versicherungsschein. Ohne den wird es schwierig, die zugesagte Leistung überhaupt konkret zu bestimmen. Die Konsequenzen können gravierend sein:

  • Unter Umständen wird dann – da die Beiträge nicht nachvollziehbar sind – kein Betriebsausgabenabzug akzeptiert und es ist ggf. keine Besteuerung nach § 3 Nr. 63 EStG oder § 40b EStG möglich.
  • Infolgedessen muss mit einer nachträglichen Versteuerung und Erhebung von Beiträgen nach § 4 Lohnsteuer-Durchführungsverordnung gerechnet werden.
  • Der Arbeitgeber hat bei der bAV bestimmte Aufzeichnungs-  und Mitteilungspflichten. Diese werden zum Teil durch den Versicherungsschein erfüllt. Fehlt der Versicherungsschein, bedeutet das gleichzeitig eine Pflichtverletzung und ein Verstoß gegen § 5 Lohnsteuer-Durchführungsverordnung.

 

5. Keine Abrufphase im Vertrag   

In vielen Versicherungsverträgen, die auf Direktzusagen beruhen, ist keine Abrufphase vereinbart. Das ist etwa bei jedem zweiten Vertrag der Fall. Damit verliert der Arbeitnehmer unnötigerweise Flexibilität bei der Nutzung seiner betrieblichen Altersversorgung. Die Abrufphase sagt dem Versicherungsnehmer einen Zeitraum zu, in dem er die Versicherungsleistung in Anspruch nehmen kann. Das ist bei Versorgungszusagen wichtig, da vielfach nicht feststeht, wann genau der Renteneintritt erfolgt. Ohne Abrufphase wird der Vertrag zu einem fixen Termin fällig, was zu Nachteilen führen kann – sowohl wenn der Vertrag „zu früh“, als auch wenn er „zu spät“ fällig wird. Idealerweise sollten Fälligkeit und Renteneintritt übereinstimmen. Das wird mit der Abrufphase erreicht.

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